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Freudenhaus

Profanbau (Lat: 48.8531; Long: 10.4929)

Nördlingen und die Freuden des Lebens

Im Jahre des Herrn 1472 musste sich der städtischen Frauenwirt Leonhardt Freyermut und seine Ehefrau Barbara Taschenfeind vor Gericht rechtfertigen, weil sie bei einer ihrer Bediensteten eine Abtreibung vorgenommen hatten. Was die Protokolle so interessant macht, ist die Tatsache, dass Freyermut - man beachte den Namen - Pächter des offiziellen städtischen Freudenhauses war. In seinem Etablissement in der Frauenstraße arbeiteten zwölf Frauen als Prostituierte. Zwar galt für die Kirche Fleischeslust als Sünde, verboten war die Prostitution im Mittelalter deshalb noch lange nicht. Hatte nicht der Rat der Stadt geschworen, sich um das Wohlergehen seiner Bürger zu kümmern?

Besucher kamen aus allen Schichten: Handwerker, Kaufleute, Studenten, fahrende Gesellen - und wohl auch mancher Diener Gottes. Verboten war das Frauenhaus nur für verheiratete Männer, doch wo kein Kläger da kein Richter. Stadtrat Andreas Lamprecht, verheiratet, war genau wie seine Ratskollegen sogar Stammgast bei Freyermut und seinen Dirnen. Dem Stadtkämmerer konnte es recht sein: Je mehr Umsatz im Freudenhaus, desto höher die Abgaben an die Stadtkasse. Galt nicht schon bei den Römern der Satz: "pecunia non olet" - Geld stinkt nicht?

Freyermuths Bordell in der Frauenstraße war ein gefragter Schankbetrieb. Mancher kam nur wegen der Geselligkeit, um in fröhlicher Runde einen Krug Wein zu leeren. Wer wollte, konnte sich mit einer der Dirnen in eine der zahlreichen Kammern zurückziehen. Dirnen hatten einen festen Platz in der Gesellschaft. Die Gunstgewerblerinnen standen in der sozialen Hierarchie weit unten, aber sie mussten sich nicht verstecken. Bei Festen und Umzügen war sie gern gesehen. Auf Hochzeitsfeiern galten sie als Glücksbringer und wurden beschenkt.

Zwei Pfennige erhielt eine Dirne von einem Freier für Liebesdienste, so viel wie ein Pfund Kalbfleisch kostete. Reich wurden die Mädchen aber nicht. Da der Rat eine Kleidervorschrift für Dirnen erlassen hatte, brauchten die Frauen, noch bevor sie den ersten Freier bedienen durften, Geld für ein neues Wams. Dazu kamen Kost und Logis für den Frauenwirt. Schnell war da ein Jahresgehalt an Schulden angehäuft und die Mädchen standen bei ihrem Wirt in der Kreide - viele ihr Leben lang. Wir dürfen dem Gerichtsschreiber heute danken, dass er uns durch seine 40ig-seitigen Aufzeichnungen auf feinem Pergament diesen einzigartigen Einblick in die Sitten der damaligen Zeit erlaubt.

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